Direktvertrieb:

Als Hersteller Endkunden im Internet erreichen – und gleichzeitig den Handel enger an sich binden

Viele Hersteller von hochwertigen Produkten sitzen zwischen den Stühlen: Denn der Trend des Absatzes über den lokalen Handel ist rückläufig – ein eigener Onlineshop könnte diese Lücke füllen. Doch die Entscheidung, einen solchen Hersteller-Shop aufzuziehen und in den Online-Direktvertrieb einzusteigen, kann den Handel verärgern. Und mit diesem besteht ein Abhängigkeitsverhältnis.

Dieser Beitrag zeigt kreative Lösungswege aus der Praxis, wie Hersteller mit dem Dilemma umgehen können.

Der stationäre Handel verliert an Attraktivität

Früher war alles klar: Der Hersteller produziert, der Händler vertreibt an den Endkunden. Doch mit dem Internet hat sich ein neuer, mächtiger Vertriebskanal aufgetan. Vieles, was der Kunde einmal lokal und vor Ort im Laden besorgt hat, kauft er heute online.

Hersteller mit einer solchen stationären Handelsstruktur verlieren deswegen kontinuierlich Marktanteile. Hinzu kommt, dass der Handel eine qualitative Beratung immer seltener gewährleisten kann. Mit der Folge, dass der Endkunde die Unterscheidungsmerkmale von hochwertigen Produkten im Vergleich zu günstigeren Alternativen nicht nachvollziehen kann und im Zweifel das billigere Produkt wählt. Gleichzeitig klagen viele Hersteller über eine sinkende Loyalität des Handels.

 

Mit dem Direktvertrieb in die Zukunft

Das alles führt dazu, dass Hersteller von hochwertigen Produkten Möglichkeiten des Online-Vertriebs ausloten und die Welt von E-Commerce erschließen wollen. Sie bietet ihnen die Chance, schnell und unkompliziert direkt mit dem Endkunden in Kontakt zu treten und zu verkaufen. Selbst Industrieunternehmen wenden sich dem B2C-Geschäft zu und überlegen, wie sie ihre Produkte individualisiert an den Privatmann bringen können. Der Trend geht sogar noch weiter: Mittelfristig wird der eigene Online-Vertrieb für Hersteller ein unverzichtbarer Standard werden.

Der Kanalkonflikt: Handel vs. Direktvertrieb

Viele Qualitätshersteller haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auf den erfolgreichen Vertrieb über den Handel verlassen. Nun sind sie auf das bestehende Handelsnetzwerk als nach wie vor wichtigsten Absatzkanal angewiesen und wollen dieses auch bewusst stärken. Zumal sie die eigene Zielgruppe oft gar nicht kennen und nicht wissen, wie sie diese direkt erreichen sollen, da sie sich bisher an der Nachfrage des Handels orientiert haben. Ein gravierender Nachteil in einer Zeit, in welcher der direkte Kontakt zum und genaue Informationen über den Kunden und sein Kaufverhalten Gold wert sind.

Der Handel hat sich so eine ordentliche Marktmacht aufgebaut. Die daraus resultierende Abhängigkeit bringt den Hersteller in eine Zwickmühle: Wenn er tatsächlich einen eigenen B2C-Online-Shop einrichtet, werden sich seine Händler angegriffen fühlen – und im Worst Case die Bestellmengen reduzieren. Je nach Branche und dem Anteil des Großhandels am Vertrieb kann das für den Hersteller existenzbedrohend werden.

Nicht gegen den Handel, sondern mit ihm arbeiten

Qualitäts-Hersteller fragen sich also, wie sie den Spagat leisten können, eigene Kanäle aufzubauen und gleichzeitig die Beziehung zum Handel zu stärken.

Einige große Marken gehen einen radikalen Weg und setzen auf die eigenen Onlinekanäle. Der Handel spielt mit, weil die Kunden die Produkte trotzdem nachfragen und es für den Händler wichtig ist, bekannte Marken vorzuhalten, von ihrem Image und ihrer Reputation zu profitieren. Apple oder Adidas sind zum Beispiel so beliebt, dass Händler sie im Sortiment nicht entbehren können. Beim Sportlabel Adidas ist E-Commerce der am schnellsten wachsende Umsatzkanal – bis 2020 sollen sich die Einnahmen vervierfachen. 90 Prozent des Marketingbudgets werden für digitale Kampagnen und soziale Medien ausgegeben. CEO Kasper Rorsted wird zitiert mit den Worten: „Es besteht (…) kein Zweifel, dass E-Commerce und E-Commerce über eine mobile Umgebung die Zukunft unseres Unternehmens darstellen.“

Was aber, wenn das eigene Geschäft anders als der Sportartikel-Konzern eine Nischen-Qualitätsmarke ist, die den Endkunden teilweise erst präsent ist, wenn sie sich mit einer Produktkategorie auseinandersetzen und entsprechend (durch den Handel) beraten werden?

Hersteller-Shop und der Vertrieb über den Handel schließen sich nicht aus

Strategiespielchen im Hintergrund fördern keine Geschäftsbeziehung, sorgen für böses Blut und kosten Vertrauen. Deswegen ist es wichtig, den Kanalkonflikt früh zu adressieren und einen offenen Austausch mit dem Handel zu suchen. Denn es muss kein Entweder-Oder-Szenario werden. Ein eigener Hersteller-Shop und der Vertrieb über den Handel schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Von der E-Commerce-Strategie des Herstellers kann auch der Händler profitieren.

Das zeigt zum Beispiel die Einschätzung von E-Commerce-Experte Prof Dr. Gerrit Heinemann, Leiter des eWeb-Research-Centers, Hochschule Niederrhein: „Hinsichtlich möglicher Sanktionen für E-Commerce-Strategien der Hersteller zeigt mir die Erfahrung, dass die Ängste der Hersteller häufig nicht berechtigt waren.“ Er betont allerdings die Wichtigkeit einer offenen Kommunikation. (Quelle: Interview, Fostec Commerce Consultants, 2015).

Strategien zur Zusammenarbeit von Handel und Hersteller

Hersteller und Handel müssen eine gemeinsame Online-Offline-Strategie entwickeln und klar festlegen, welches Produkt wann, wo und von wem verkauft wird, um die Marke bestmöglich am Markt zu positionieren.

Zwei Ansätze ermöglichen es Herstellern und Marken, die Macht des Onlinevertriebs zu nutzen und trotzdem dem Handel nicht vor den Kopf zu stoßen.

1. Leads generieren und an den Handel weitergeben

2. Einen eigenen Hersteller-Shop mit komplementärer Ausrichtung aufziehen

Leads generieren und an den Handel weitergeben

Wenn Unternehmen einen eigenen Online-Vertrieb aufbauen wollen, brauchen sie Klarheit über ihre Ziele, sonst sind hohe Kosten und nur geringe Erträge die Folge. Denn nicht immer ist ein direkter Vertrieb an den Endkunden sinnvoll. Sei es, weil die Bestellmengen und -margen im Shop so gering wären, dass sich nicht einmal die Order-Kosten decken. Sei es, weil für kleinere Stückzahlen und individuellere Produkte die Prozesse fehlen. Oder, weil das Produkt bequem im stationären Handel verfügbar ist und der Hersteller die Preispolitik der Händler sowieso nicht mitgehen kann.

Gerade, wenn der Handel in das Vorhaben integriert werden soll, ist es zentral, dass sich Online- und Offline-Angebot nicht gegenseitig kannibalisieren.

Das muss auch nicht sein, denn der Hersteller kann sein Online-Angebot so ausrichten, dass es die Händler unterstützt. Es gibt Märkte, in denen der Handel selbst noch nicht professionell online aufgestellt ist. Hersteller, deren Hauptbestellungen von Partnerunternehmen ausgehen, haben mit ihrer eigenen E-Commerce-Lösung dann die Chance, neue Zielgruppen zu erschließen, Leads zu generieren und damit den Verkauf für die Händler vorzubereiten. Ein Online-Auftritt muss also nicht zwangsläufig dazu führen, einen eigenen B2C-Vertriebskanal zum zentralen Handelsplatz auszubauen. Er eignet sich auch hervorragend als Informationsressource, die alle Fragen des Kunden vollumfänglich beantwortet, zum Branding, also die Markenbekanntheit zu erhöhen oder um Customer Insights zu gewinnen. Gerade, wenn es darum geht, Kundendaten zu generieren und Wissen aufzubauen, benötigen Unternehmen weder ihr volles Sortiment online noch die Infrastruktur eines kompletten Online-Shops.

Beispiel aus der Praxis

Der Dübelhersteller Fischer zum Beispiel berät die Kunden auf der Website mit tiefgehenden Informationen wie einem Dübelratgeber und dem interaktiven Tool Dübelfinder. Für den Kauf wird der Kunde dann an den Fachhändler weitergeleitet. Auch die LEIPFINGER-BADER Ziegelwerke KG verfügt über ein umfangreiches Online-Informationsangebot. Das geht so weit, dass sie die Endkunden mit einem digitalen Berater auf der Homepage berät und bindet. Ist das Interesse für ein Face-to-Face-Gespräch geweckt, wird der Kunde an ein Bauunternehmen und damit den Handel weitergeleitet. Die Ziegelei hat sich passend zu ihren Vertriebs- und Logistikprozessen also dafür entschieden, strategisch Leads an den Handel weiterzugeben. So bindet sie Partner wie Bauunternehmen an sich und stärkt gleichzeitig den eigenen Vertrieb.

Eigener Hersteller-Shop mit komplementärer Ausrichtung

Auch wenn der Umsatz bisher über den Handel kam: Hersteller haben einige Pfunde, mit denen sie im E-Commerce und bei der Customer Journey wuchern können. Online-Kunden gewinnt man mit strukturierten, gut aufbereiteten Produktdaten und genau diese liegen dem Hersteller vor. Er sitzt an der Quelle und verfügt anders als der Händler über profunde Produktinformationen. Ausführlicher Content, griffige Produktinformationen sowie eine ansprechende Präsentation sind die zentralen Standbeine, um den Kunden Mehrwert zu bieten und das viel zitierte Marken- und Einkaufserlebnis zu schaffen. Hersteller haben zudem die Hoheit über die Erweiterung ihres Sortiments und kontrollieren die Vertriebskanäle. Sie haben es in der Hand, den Kunden zu überzeugen.

Die zweite Strategie besteht nun darin, einen Hersteller-Shop einzurichten, der den Handel ergänzt und der Kundenbedürfnisse abdeckt, die die Vertriebspartner selbst nicht erfüllen können. 

Drei Optionen bieten sich dafür an:

Eine Möglichkeit für eine Händler-Hersteller-Kooperation im Vertrieb ist das Streckengeschäft, auch Dropshipping genannt. Darüber kann der Händler sein Sortiment im Hersteller-Webshop präsentieren. Den Versand der Produkte übernimmt der Hersteller – auf diese Weise muss der Händler nicht das gesamte Sortiment vorhalten und spart Lagerkosten.

Auch andere Services können aufgesplittet werden: Die ORTLIEB Sportartikel GmbH in Nürnberg zum Beispiel unterhält einen umfangreichen B2C-Onlineshop. Der Handel wird integriert, da die Kunden aufgefordert sind, ihre Retouren und Reklamationen über ihn laufen zu lassen.

Hersteller vermeiden es, in Konkurrenz mit dem Handel zu treten, wenn sie exklusive, limitierte Sortimente vertreiben oder Sonderaktionen fahren. Ob Sondereditionen oder Neuentwicklungen: Besondere Artikel wecken das Nutzerinteresse und ziehen Kunden an – gerade Limitierungen steigern die Kauflust. Da es mit den Händlerangeboten keine Schnittmengen gibt, können Hersteller diese Alleinstellungsmerkmale ihres Shops offensiv bewerben. Eine weitere Strategie besteht darin, Untermarken aufzubauen, die ebenfalls ausschließlich online vertrieben werden und damit nicht in Konkurrenz zu den bereits etablierten Produkten des Handels stehen.

Eine weitere Chance, sich vom lokalen Handel abzuheben, sind Produktpersonalisierungen. Individuelle Anpassungsmöglichkeiten machen Produkte attraktiv, vor allem, wenn der Shop noch überzeugende Argumente für den Kauf liefert. Der Hersteller kann eine solche Konfiguration im Detail anbieten und Insights in den Herstellungsprozess bieten, etwas, was für die meisten Händlershops schwierig ist. Auch hier ist Adidas ein Vorreiter: In der Speedfactory in Ansbach wurde der Produktionsprozess mit 3D-Drucktechnologie und Robotik digitalisiert. Auf diese Weise können nicht nur innovative Schuhe schnell gefertigt werden, auch ein hoher Individualisierungsgrad wird möglich. Diese Kollaboration mit dem Kunden, die hohe Verfügbarkeit und Schnelligkeit der Herstellung machen die Produkte attraktiv.

Gemeinsam mit dem Handel können sich Hersteller Online-Vertriebskanäle erschließen, vertikalisieren und wichtige Daten über ihre Kunden generieren – ohne, dass die Beziehungspflege darunter leidet. Durch Kooperationsmodelle entsteht eine Win-Win-Situation.

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Katja Hitz

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